Gerhard Wick

An die
Staatsanwaltschaft Stuttgart
Neckarstr. 145
70190 Stuttgart

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit erstatte ich

Strafanzeige

gegen unbekannt, bzw. die Besatzungen der am 30.9.2010 im Stuttgarter Schlossgarten zur Räumung einer Sitzblockade eingesetzten Wasserwerfer

wegen des Verdachts der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 StGB), der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB), der schweren vorsätzlichen Körperverletzung (§ 226 StGB), der Körperverletzung im Amt (§ 340 StGB), sowie allen sonstigen Rechtsgründen

Am Donnerstag, den 30.9.2010 wurden ab etwa 12 Uhr im Stuttgarter Schlosspark von der Polizei Wasserwerfer eingesetzt . Der Einsatz der Wasserwerfer wurde seitens der Polizei gegenüber den auf dem Weg vom Biergarten zur Klettpassage sitzenden Personen durch die Ansage „Sie werden aufgefordert sich von der Straße zu entfernen, andernfalls wird Wasser gegen Sie eingesetzt“ angekündigt. Es entspricht diese Ankündigung wohl der zur Beseitigung von Sitzblockaden üblichen Androhung der Anwendung „unmittelbaren Zwangs“.

Die Anwendung unmittelbaren Zwangs beinhaltet wohl auch das Zufügen von Schmerzen zur Beseitigung von den Weg blockierenden Personen. Sie rechtfertigt jedoch keine körperlichen Verletzungen.

Ich konnte beobachten, dass seitens der Besatzungen der Wasserwerfer wiederholt mit hochkonzentriertem Wasserstrahl unter sehr hohem Wasserdruck auf Gesicht und Oberkörper einzelner Personen gezielt wurde und diesen dadurch zum Teil schwerste Verletzungen, wie Rippenbrüche, Gesichts- und Augenverletzungen beigebracht wurden.

Auch wurde der Wasserwerfer gezielt auf weit von dem Weg, auf dem sich die Polizeikräfte fortbewegen wollten und auf den sich die Aufforderung, sich zu entfernen bezogen hatte, entfernt stehende Personen gerichtet, so dass diese damit zum Beispiel von Bänken innerhalb des Biergartens „herunter geschossen“ wurden und dabei erhebliche Verletzungen erlitten.

Personen, die sich weit ab vom blockierten Weg auf Bäumen befanden, wurden vorsätzlich anvisiert , so dass sie – vom Wasserstrahl getroffen – zum Teil aus einigen Metern Höhe vom Baum stürzten.

Alle diese von mir persönlich beobachteten Vorgänge sind auch in zahlreichen Filmdokumenten auf youtube, sowie sicherlich in den Aufnahmen der Polizei selbst festgehalten und können ohne weiteres ermittelt und belegt werden. Es dürfte für die Ermittlungsbehörden auch kein Problem sein, die zum jeweiligen Zeitpunkt an den Wasserwerfern eingesetzten Beamten zu ermitteln und die hier angezeigten Straftaten konkreten Personen zuzuordnen.

Verwiesen sei hier insbesondere auch auf eine Filmaufnahme der hochbild-pressefoto (hochbild | pressefoto, Raimund Wimmer, Schwalbenweg 23, 73035 Göppingen), die einen den Wasserwerfer betätigenden Polizeibeamten zeigt, der dabei den Eindruck vermittelt, er spiele gerade ein Computer-Ballerspiel.

Angesichts der hohen Zahl von durch den Einsatz der Wasserwerfer verletzten Personen sowie den gesamten Begleitumständen des Polizeieinsatzes liegt hier sicherlich auch für die Ermittlung und Strafverfolgung von Körperverletzungen im Sinne der §§ 223, 226 und 340 StGB ein öffentliches Interesse vor.

Unabhängig davon stelle ich

Strafantrag

gegen unbekannt

wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Körperverletzung im Amt, gefährlicher Körperverletzung
bezüglich mir persönlich zugefügten Verletzungen durch folgenden Tatvorgang:

Gegen 14:00 hatte ich der Aufforderung der Polizei, die Straße zu verlassen, Folge geleistet und mich mehrere Meter weit von dem durch noch mehrere Personen blockierten Weg in Richtung der Parkfläche entfernt, als mich dort ein konzentrierter, starker Wasserstrahl am Hinterkopf traf, was lang anhaltende starke Kopfschmerzen durch ein Schleudertrauma zur Folge hatte. Ebenso konnte ich den rechten Oberarm bis zur Mitte des nächsten Tages nur unter starken Schmerzen bewegen.

Ich erwarte, dass der zu dieser Zeit den Wasserwerfer bedienende Beamte ermittelt und strafrechtlich verfolgt wird.

Stuttgart, den 6.10.2010

Mit freundlichen Grüßen

(Gerhard Wick)

 

Herrn Innenminister Heribert Rech
Stuttgart

Betr.: Wasserwerfereinsatz im Schlossgarten am 30.9.2010, ca. 16.15 Uhr

Sehr geehrter Herr Minister,

gestern wurde ich Opfer eines Wasserwerferangriffes der im Schlossgarten eingesetzten Polizei. Von mir in einer Stofftasche mitgeführte Gegenstände wurden durch das Wasser beschädigt. Ich halte diesen Wasserwerferangriff für rechtswidrig und bitte um Aufklärung. Gleichzeitig erhebe ich

DIENSTAUFSICHTSBESCHWERDE

gegen die verantwortlichen Personen im Wasserwerfer 1, die den Angriff ausführten. Zur Begründung in der gebotenen Kürze ( auf Nachfrage kann ich gern ergänzen ): Ich bin kein Berufsdemonstrant und kein Chaot, sondern habe diesem Staat bis zu meiner Pensionierung vor einem Monat treu gedient, zuletzt elf Jahre lang als Vorsitzender einer Strafkammer des Landgerichts Stuttgart. Gestern hatte ich mich um 12 Uhr in Stuttgart mit einer Kollegin getroffen und dann noch Einkäufe erledigt. Da ich während der Fahrt im Radio von der begonnenen Polizeiaktion gehört hatte, wollte ich mich anschließend vor Ort selbst informieren. Schon am abgerissenen Nordflügel des Hauptbahnhofs traf ich auf ein ca. sechzehnjähriges Mädchen mit einer Augenverletzung infolge eines Pfeffersprayeinsatzes, das gerade von der ärztlichen Behandlung kam. Den Schlossgarten betrat ich gegen 15.30 Uhr durch den Zugang beim früheren Busbahnhof. Es gab keinerlei Hinweise, dass das Betreten oder der Aufenthalt dort (es handelt sich um einen öffentlichen Park) untersagt sei. Die Situation an dieser Seite stellte sich als absolut friedlich dar. Der sich anschließende Teil des Schlossgartens war durch Absperrgitter und Polizeibeamte, die dicht an dicht wie eine Mauer standen, komplett abgeriegelt. Aus diesem abgeriegelten Teil wurden einzelne Personen, die sich offenbar dort noch aufgehalten hatten, von Polizisten herausgeführt. Auch dies verlief völlig friedlich.

In diesem Zeitpunkt verlief die Absperrung durch die Polizei noch quer über den am Rande des Parks (Richtung Südflügel des Hauptbahnhofs) verlaufenden asphaltierten Weg. Später wollte die Polizei diesen Weg in Richtung des Ausgangs zum früheren Busbahnhof von den anwesenden Personen freimachen. Warum dies nötig war, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls ging von den Anwesenden keinerlei Gewalt aus. Es fuhr dann der Wasserwerfer Nr. 1 auf diesem Weg vor, zunächst noch hinter der polizeilichen Absperrung. Mit Lautsprecher erfolgten mehrere Aufforderungen, „die Straße zu räumen und in den rückwärtigen Teil des Schlossgartens zu gehen“. Für den Fall des Nichtbefolgens wurde der Einsatz des Wasserwerfers angedroht. Ich selbst hielt mich zu keiner Zeit auf dieser Straße auf, sondern stand ca. drei Meter daneben (vom Wasserwerfer aus gesehen links) auf der Wiese – wie viele andere Personen auch.

Als die Straße nicht von allen Personen geräumt wurde, kam der Wasserwerfer und offenbar auch Pfefferspray gegen diese Personen zum Einsatz. Ich sah einige Verletzte, vor allem handelte es sich um Augenverletzungen und auch blutende Wunden. Es kam zum Glück weiterhin zu keinerlei Gewalt. Die auf der Straße befindlichen Personen versuchten nur, sich vor dem Wasserstrahl zu schützen.

Ohne jede Ankündigung wurde plötzlich der Wasserstrahl gegen die Personen auf der Wiese gerichtet. Es war keinerlei Aufforderung ergangen, diesen außerhalb der polizeilichen Absperrungen liegenden Bereich zu verlassen. Der Beschuss der Personen auf der Wiese wurde einige Zeit fortgesetzt, ohne dass erkennbar wurde, was damit eigentlich erreicht werden sollte (im Rücken der Menschenmenge befand sich der von zahlreichen Passanten benutze Weg Richtung Neckartor).

Bereits beim ersten völlig überraschenden Wasserangriff wurde ich voll getroffen. Ich wurde zum Glück nicht verletzt, war aber selbst beim Eintreffen in meiner Wohnung gegen 21 Uhr noch immer völlig durchnässt (die Kleidung konnte ich zuvor nicht wechseln, weil ich nach dem Angriff zu meiner pflegebedürftigen Mutter nach Esslingen fahren musste). Meine mitgeführten Einkäufe, insbesondere Hüllen von Schallplatten und Booklets von CDs sowie ein Buch, aber auch persönliche Papiere wurden völlig durchnässt und sind zum Teil unbrauchbar.

Nach einem heutigen Zeitungsbericht dienten die Wasserwerfer lediglich der Eigensicherung der Polizei, „nicht um Straßen freizumachen“. Im Fernsehen und Rundfunk äußerten Sie und Polizeiführer gestern sinngemäß, man sei selbst schuld, wenn man vom Wasserwerfereinsatz betroffen sei. Der Einsatz sei mehrfach angekündigt worden. Man hätte daher rechtzeitig weggehen können. Da dies in meinem Fall nicht zutrifft, halte ich den Einsatz für rechtswidrig und erbitte Ihre fundierte juristische Stellungnahme sowie Bescheidung der Dienstaufsichtsbeschwerde.

Gestatten Sie mir die Bemerkung, dass ich einen derartigen Polizeieinsatz gegen friedliche Bürger bislang nur durch Berichte aus China und anderen Diktaturen kannte.

mit freundlichen Grüßen

Dieter Reicherter